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Sonntag, 1. März 2020, 20:05

Wollten Sie ihn denn gar nicht mitnehmen? Sollte er jetzt hier im Keller ganz allein herumirren? So interessant war der Hotelkeller nun auch wieder nicht. Ja, bei dem Allmächtigen, da lang ein toter junger Mann im Anzug mit gebrochenen Genick in einer Ecke und irgendjemand könnte das Blut auf der Treppe sehen, wenn man das Licht anschalten würde. Nun, jemand sollte sich der Sache annehmen. Aber das würde sicher nicht lange dauern, das arme Opfer zu orten, auch wenn die Dinge mit Chips und Sendern in der Tasche einer armen verstörten Galariebesucherin auf einer Wache waren. Zuviel Chaos, zu viele Spuren. Nun, er hatte sicher genug Zellen in dieser Galerie und in diesem Keller verloren, genau wie Dutzende Leute mehr, sie waren frischer allerdings. Aber nein, ein Feuer fiel aus, die Kunst oben musste bewahrt werden. Und er hatte ja noch etwas zu tun. Jetzt wo das Hotel geräumt wurde und Barras die versprochene Ablenkung hergestellt hatte, musste er etwas anderes aus dem Hotel schaffen.

Er hatte es vor dem Zusammentreffen mit der Prinzessin und Barras bereits zwischengeparkt, er musste das Paket nur noch abholen und weiterverbringen, doch als er die beiden sah, war es ihm unmöglich gewesen, nicht zu reagieren. Leonie, seine kleine Leonie, war so groß geworden und so schön. Ihr fehlte nur noch ein letzter Schliff, aber er wusste, dass sie ihn nicht erkennen würde, dazu war sie als Mädchen zu verträumt gewesen bei dem kleinen Portrait. Diese kleine Sünde, die er begangen hatte. Sich ablenken zu lassen von seiner Aufgabe für die Schwäche - wie hatte die kleine Leonie es genannt - der Sympathie? Nun, Barras hatte ihm wie erwartet herausgeholfen. Der Mann war immer so einfach zu manipulieren. Aber auch er hatte sich nicht erinnert, obwohl sie sich so nah gekommen waren.

Er musste aufpassen, es nicht zu übertreiben. Man hatte seine Neigungen früh erkannt und umgelenkt, die Überflüssigkeiten weggeschnitten, das Individuum geformt. Er hatte seine Familie für sein Land geopfert und für die große Sache. Zur Ablenkung "sammelte" er ein wenig Kunst, studierte die Spachen, malte und zeichnete, dichtete und schrieb, damit er nicht vor der Zeit brach. Doch sie konnten nicht alles wissen, als sie ihn losließen, die kleine Schwäche für die Tochter, die er niemals hatte. Dass sie diese Liebe nie erkannt hatten, als sie ihn formten, war das Fehler oder war es Schwäche? Oder hatten sie es gesehen und es belassen? Nun, er war der Beste seiner Generation, selbst die anderen Familien wussten nichts von seiner Existenz. Der Zeitpunkt war gekommen, auf den er solange gewartet hatte. Doch er musste seine Tochter beschützen.

Genug der Ablenkungen. Geübt zog er sich um und holte die Sammelware ab, dann ging er zu einem späteren Zeitpunkt wohl unbemerkter davon. Aber so einen alten Koch verfolgte auch keiner. Auch in solch abgewetzter uneleganter Zivilkleidung nicht. Den Arbeitsrucksack auf dem Rücken, die Mütze gegen den Wind im Gesicht, die Straße hinunter. Drei Tage noch, dann würde es weitergehen. Das kleine Bild aus der Schatulle der Comtessa würde sich gut im kleinen Eckschrank machen.
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