Ah, Kunst, ein vertrautes Terrain, mit dem er sich schon oft umgeben durfte. Nun, vielleicht konnte er in dieser Hinsicht die Abgeordnete überraschen und auch du Lac war kunstfixiert genug, um die obskuren Begrifflichkeiten zu kennen. Der Meister beugte sich kurz vor und sank dann in den Sessel zurück, ein träumerisches Lächeln in seinem Gesicht.
"Oh, Ihr täuscht Euch, Ehrwürdige, es gibt viel mehr als die meisten glauben, doch ist es verborgen, so dass unwürdige Geister dem nicht gewahr werden. Seht, vieles ist sogar so gut verborgen, dass es sogar vor aller Augen zu sehen ist. Nehmt doch nur die hohlen Gassen auf dem kahlen Berge, dort gibt es Straßenzüge, die Labyrinthen gleichen und dies ist durchaus Absicht, denn sie sind planmäßig angelegte astrologische Konstellationen der wichtigsten Sternzeichen in der Geschichte Outremers. Jede dieser Gassen ist mit einem anderen Muster auf den Hauswänden gemauert worden, doch vieles ist unter Ruß und Staub verborgen. Die Konstellationen der Virgo und des Taurus sind bereits durch unbedachte Modernisierung und Sanierung zerstört worden." Er nimmt einen Schluck.
"Dann gibt es die unterirdischen Gärten von Gezou, die für einen verstorbenen Kunstmäzen im späten 19. Jahrhundert unter dem Place de la Renaissance angelegt wurde. Dieser skurille Garten besteht aus Pilz- und Flechtenmustern, die fluoriszieren und ein unvergessliches Schauspiel in der Finsternis bieten. Er wird von der Famile Papilliou gepflegt und ist nur viermal im Jahr zu besichtigen. Das pompös erscheinende Zutrittshonorar lohnt sich wirklich." Er lächelt wehmütig.
"Dann gibt es den verhexten Glockenturm des scharlachroten Magisters. Die dazugehörige Kirche der stöhnenden Jungfrau brannte kurz nach der Errichtung ab und alle weiteren Bauten und Neuerrichtungen wurden ebenfalls von seltsamen Unglücksfällen geprägt. Der Turm dagegen hält sich trotz aller Legenden und Rätsel um ihn. Er ist ein wenig schief gebaut und die obersten Stockwerke stehen scheinbar verkeilt und verdreht ineinander. In seinem Innern sind die Wände in beunruhigenden Farben und Mustern gestrichen, die schon bei einigen Beobachtern Unwohlsein und Elepsie ausgelöst haben. Die Glocke hat man mittlerweile entfernt. Scheinbar scheint ihr Klang durch den Bau und ihre eigene spezielle Anfertigung eine geradezu abführende Wirkung zu entfalten. Also wenn Ihr den Drang nach etwas Selbstfolterung verspürt, ist das sicher der beste Ort." Er wedelt mit der Hand, als wolle er Dämonen vertreiben.
"Und dann gibt es ja noch die Silberne Grotte, die Säulen des Seufzens, die gebrochene Treppe der Madame Papille, die Tränen der gepeitschten Heiligen, die ertränkten Sünder, das Pantheon der gepfählten Götter . . . ich hoffe, ich langweile Euch nicht?"