An die Kaiserin
des Empire Outremer
Valerie de Valois
Potopia, den 24. März 2020
Werte kaiserliche Hoheit,
nachdem ich meinen Besuch in Ihrem Land, der zur Erneuerung und Festigung der durch einen Grundlagenvertrag verschriftlichten diplomatischen Beziehungen dienen sollte, habe Revue passieren lassen, möchte ich ein paar offene Worte an Sie richten.
Wenngleich ich selbst keinen großen Wert auf Protokolle oder übertriebene, falsche Höflichkeit lege, so lege ich doch Wert auf gegenseitigen Respekt. Diesen ließ mein Besuch in Ihrem Land leider bis auf Ausnahmen vermissen. Im Einzelnen:
Kurz nach meiner Landung wurde die pottyländische Nationalhymne gespielt. Das ist eigentlich eine schöne Geste. Doch ich hätte mir gewünscht, dass sie auch als solche verständlich gewesen wäre. Der mir entgegen schallende Klangbrei erinnerte an eine MP3 niedrigster Qualität und erweckten den Eindruck einer Raubkopie.
Hierüber sah ich hinweg, denn die Geste war ja durchaus freundlich gemeint. Ja, ich fand es sogar zunächst erheiternd - in der Gesamtschau war es jedoch das erste von vielen Ereignissen.
Freundlicherweise fuhr mich Connetable Saint-Just höchstpersönlich zu meiner Unterkunft, dem besten Hotel am Ort - so sagte man mir jedenfalls. Dort wurde ich sehr nett empfangen, doch wurde die Ruhe in meinem Hotelzimmer jäh durch uniformierte Personen unterbrochen, die einen riesigen Radau auf dem Flur veranstalteten und erst nach eindringlicher Ansprache Anstalten machten, meine Tür nicht anlasslos zu bewachen. Es stellte sich heraus, dass die Herrschaften zum Schutze der Prinzessin vor Ort waren, die ich ebenfalls kennenlernen durfte.
Da die liebenswürdige Mademoiselle Libelle mich sehr einfühlsam abholte und die uniformierten Menschen schließlich kleinbei gaben, hielt ich auch dieses Ereignis für zunächst nicht weiter erwähnenswert. Schließlich fand danach eine wirklich angenehme Party statt.
Das Mittagessen mit der Connetable am Folgetag war die erste Gelegenheit, bei der ich offene Respektlosigkeit feststellen musste.
Zunächst wurde in Aussicht gestellt, einen neuen Ambassadeur Outremers für das Königreich Pottyland zu berufen, nachdem Monsieur Moulin sich offenbar im Ruhestand befindet. Dieser potentielle Botschafter sollte sich durch seine Leistungen und seinen Charakter ausgezeichnet haben und perfekt in unser Inselkönigreich passen.
Wer sich dann vorstellte, war ein - und ich bitte Sie, diese Wortwahl zu verzeihen - abgehalfterter, respektloser Säufer, dem jedwede Grundlage an Manieren fehlte. Wie es sich herausstellte, war besagter Herr mit der Connetable verwandt. Diese war über sein Auftreten ebenfalls nicht sonderlich erfreut und nach einer kurzen Unterredung zwischen den beiden gab es immerhin eine Entschuldigung. Die Frage des Botschafters wurde jedoch fallen gelassen, offenbar hatte der Kandidat kein wirkliches Interesse daran, diesen Posten auszufüllen.
Das anschließende Gespräch mit dem Seneschall möchte ich eindeutig positiv hervorheben. Herr Duroc war sehr freundlich und pflegte eine höfliche, offene Gesprächsatmosphäre.
Mit Erschrecken musste ich jedoch feststellen, dass mein Hotelzimmer während meiner Abwesenheit komplett auseinandergenommen wurde. Die Minibar war geleert und ich vermisse seitdem einen sehr lieb gewonnen Gegenstand von hohem ideellen Wert. Zudem fand man nach meiner Rückkehr eine Wanze an meinem Hemd, die jedoch deaktiviert war.
Dass der Duc de Galatone sich zudem noch einen harmlosen Scherz erlaubte, indem er mir ein Treffen mit Ihnen beim Laufen zusagte, ich jedoch nur auf vier ziemlich unsportliche Wachmänner traf, möchte ich hier nur deshalb erwähnen, weil dort sehr stark darauf bestanden wurde, dass ich mein Sakko ablegen solle. Ich nehme an, dass es bekannt ist, dass das Außenministersakko ein sehr faszinierendes Kleidungsstück ist, das schier endlosen Stauraum in seinen Innentaschen bietet. Aus diesem Grund gebe ich es auch nie aus der Hand. Nach dem Vorfall im Hotelzimmer hielt ich es ohnehin für sicherer, dort keine wertvollen Gegenstände zu lassen.
Sehr positiv hervorheben möchte ich wiederum die Möglichkeit, mit Ihnen ein Gespräch zu führen. Eine derart angenehme Gesprächsatmosphäre im Zusammenhang mit so ernsten Themen wie die von uns besprochenen war eine wahre Wohltat nach den vorherigen Irrungen und Wirrungen, die zur Völkerverständigung nicht erheblich beitrugen.
Und wenngleich Sie selbst aufrichtig mitteilten, dass dem Empire Outremer an den Beziehungen zum Königreich weiterhin gelegen ist, so entsteht leider der Gesamteindruck, dass diese Auffassung nicht von Ihrer Regierung, speziell nicht vom diplomatischen Dienst, geteilt wird. Dies wird insbesondere durch die öffentlichen Herabwürdigungen des Königreichs Pottyland durch das Konventsmitglied Elbai d'Enver in einer der jüngsten Konventssitzungen noch einmal deutlich unterstrichen.
Daher bitte ich um eine offene Aussprache und lade Sie zu diesem Zweck im Auftrag Seiner Majestät König Potty von Pottystein zu einem Staatsbesuch ein. Für Ihre Unterkunft würde eines der luxuriösen Gästezimmer auf Schloss Pottystein hergerichtet werden. Und selbstverständlich sind Sie dazu eingeladen, das Personal mitzubringen, das Sie gerne um sich haben möchten. Ich muss jedoch darauf hinweisen, dass praktizierende Soldaten und Waffen nicht nach Pottyland gebracht werden dürfen, da es insoweit ein entsprechendes generelles gesetzliches Importverbot gibt.
Ich selbst werde auch bei den Gesprächen zwischen Ihnen und König Potty anwesend sein. Dies ist bei uns so Brauch.
In Erwartung Ihrer Antwort verbleibe ich mit freundlichen Grüßen
Lord Reis,
Außenminister des Königreichs Pottyland