Reis war sehr froh über das offene und höfliche Gespräch. Er hatte den Eindruck, dass die Kaiserin ihm wirklich Gehör schenken und seine Ausführungen unvoreingenommen zunächst einmal sacken lassen würde. Oder anders gesagt: Sie handelte seinem Eindruck nach genau so, wie es das Oberhaupt eines Staates handeln sollte - überlegt, souverän, professionell. Und ihre Ausführungen über bisher durchgeführte Gespräche nahm er sehr interessiert zur Kenntnis, drang hiervon doch bisher nicht wirklich etwas an die Außenwelt.
"Machen Sie sich keine Sorgen um Pottyland."
Das machte sie in erster Linie nicht, das wusste er. Ihre Sorge galt vor allem Outremer und das war auch richtig so.
"Neben unserem eigenen Militär haben wir eben durch unser internationales Netzwerk Verbindungen und Verbündete. Alleine die Tatsache, mit welchem Land wir welche intensiven Beziehungen pflegen sorgen dafür, dass Pottyland nichts passieren wird."
Ein gewisses Lächeln konnte er sich nicht verkneifen, als er an die futunische Garantie, die engen Verbindungen zur Turanien, Tír Na nÓg, Chowa und all die anderen Staaten dachte, die Pottyland - nicht zuletzt auch dank ihm - durch und durch wohlgesonnnen gegenüber standen.
"Ich habe nicht den Eindruck, dass Anturien nach dem derzeitigen Stand zu eigener Kraft zur Normalität zurückkehren wird. Aber ich habe auch nicht die Befürchtung, dass von dort aus eine akute Gefahr für die internationale Gemeinschaft herrscht oder mittelfristig zu erwarten ist. Wir dürfen nicht vergessen, dass dreibürgisches Staatsgebiet in unmittelbarer Nähe ist. Unabhängig davon, dass die Beziehungen zwischen Pottyland und Dreibürgen nicht existent sind, gehe ich davon aus, dass ein etwaiges Aufschwelen aus den anturischen Gebietn ohne großes Federlesen durch die dreibürgische Armee im Keim erstickt werden würde. Natürlich halte ich auch nichts von einer Intervention durch das Kaiserreich und erst recht halte ich nichts von einer Besetzung Anturiens durch Dreibürgen."
Er atmete tief durch. Es wunderte ihn, dass Dreibürgen in Anturien noch überhaupt nichts veranlasst hatte - wo sie doch Pottyland aufgrund eines einzigen Schreibens mit seltsamen Einreiseverboten, Briefkontrollen und Handelsembargos kamen. Nicht, dass je Handel zwischen Pottyland und Dreibürgen stattgefunden hätte oder Pottyheads dort gewesen wären...
"Doch was ich weiß, ist, dass die Pläne Outremers international bekannt sind und mich die bisherige Ruhe wirklich erstaunt. Ich hätte erwartet, dass andere Staaten hier ebenso wie Pottyland das Gespräch suchen. Entweder setzt man viel Vertrauen in mich - oder es ist den Verantwortlichen egal."
Man merkte ihm an, dass er während des gesamten Gesprächs konzentriert war und in seinem Kopf viele verschiedene Szenarien und Alternativen durchgespielt wurden. Jetzt schaute er für einen Moment an die Decke und schloss die Augen, um sich außerhalb optischer Einflüsse konzentrieren zu können.
Das lag nicht daran, dass das Erscheinungsbild der Kaiserin ihn ablenken würde - auch wenn sie attraktiv war, wie er zugeben musste -, sondern es war eine bewährte Methode für ihn, sich zu fokussieren.
"Ich könnte Ihnen vielleicht einen Vorschlag unterbreiten. Pottyland könnte als neutraler Vermittler zwischen Outremer und einer Auswahl der von Ihnen so genannten "Anführer" in Anturien auftreten. Dabei würde ich selbst im Vorfeld mit einzelnen Leuten sprechen und versuchen, sinnvolle Gesprächsrunden zusammenzustellen."
<Und je nach Vorgesprächen bringe ich am besten ein Blech Sir Brownies mit...>
"Natürlich - also für mich natürlich - würde ich die Gesprächsrunde "pottyländisch" gestalten wollen. Meiner Erfahrung nach bringt es nichts, mit Kriegstreibern in einem geschlossenen Konferenzraum eines edlen Gebäudes zu sitzen und zu reden. Mein Ansatz ist da etwas anders. Ich bevorzuge Gespräche bei einem guten Essen in lockerer Umgebung, in der die Privatsphäre und Geheimhaltung dennoch gewährleistet ist."
Beim nachfolgenden Vorschlag, den er nur zu einem Teil ernst meinte, musste er selbst schmunzeln.
"Im Schwimmbad des pottyländischen Außenministeriums befinden sich seit dem Umbau zwei Wasserrutschen. Wenn die Gespräche nichts bringen, lösen wir den Konflikt durch einen Wasserrutschwettbewerb."
Er lächelte und zwinkerte der Kaiserin zu, um zu verdeutlichen, dass dieser Vorschlag nicht komplett ernst gemeint war (aber ein bisschen schon).