Das Klopfen riss mich aus meinen Gedanken und holte mich augenblicklich zurück in die Wirklichkeit. Ich wusste wer da klopfte und ich wusste genauso um die Vergangenheit, die mich und jene Person mit einander verband. Eine gemeinsame Vergangenheit, die eigentlich längst keine Rolle mehr spielen durfte und die mich dennoch nie richtig los lassen würde. Im Gegenteil holte sie mich immer und immer wieder ein und das würde wohl nie aufhören.
"Hallo Anielle. Komm rein! …Du bist spät. Glaubst du eine Kaiserin wie ich hat ewig Zeit? "
Mit diesen knappen und vorwurfsvoll wirkenden Worten empfing ich Anielle. Vertraut und gleichermaßen abweisend klingend - so und nicht anders musste ich mich verhalten angesichts dessen, was uns verband: Eine gemeinsame Vergangenheit, über die ich mich natürlich öffentlich niemals äußern würde. Flüchtig und gleichzeitig bewundernd glitt mein Blick ungewollt über Anielle. Ich vermisste sie so sehr und gleichzeitig wusste ich, dass ich ihr niemals wieder so nah sein durfte wie wir es einst waren.
Ganz in Gedanken deutete ich auf die Couch, noch unschlüssig, ob ich mich direkt zu ihr setzen sollte oder lieber weit entfernt, an meinem Schreibtisch:
"Was hast du mir also zu berichten?"
Meinen Vorsätzen zum Trotz fand ich mich direkt neben ihr sitzend wieder und mein Blick in ihre Augen wirkte weitaus weniger kühl als meine Worte klingen mochten. Ja, fast verlor ich mich darin. Kein Wunder, Anielle war einfach zu süß und ich war untröstlich angesichts der Erkenntnis, dass ich sie wegen meines Amtes für immer verloren hatte. Mein Amt! Als ob es nichts anderes in meinem Leben gäbe. Immer nur regieren, regieren, regieren … bei dem Anblick von Anielle´s dick geschnürter Aktenmappe musste ich regelrecht an mich halten, dieses Bündel Papier nicht einfach ins Kaminfeuer zu werfen.
Ich wollte nichts wissen von all den Amtsgeschäften, die mich rund um die Uhr mein Ganzes Leben verfolgten. Nicht hier und nicht jetzt, in meinen privaten Gemächern und so sprudelte eine ganz andere Frage aus mir heraus, die weitaus dringlicher meinen Verstand beschäftigte:
"Hattest du im übrigen schon die Gelegenheit die Cabarrus näher kennen zu lernen? … Bei einer gemütlichen Bootsfahrt zum Beispiel? Mich würde brennend interessieren, ob Du sie für fähig genug hältst um im Konvent ein Wort mit zu reden. " < Und wage es ja nicht, mir irgendwelche Details von dieser Bootsfahrt vorzuenthalten.>
Mit strengem Blick ließ ich Anielle wissen, dass ich alles wusste. Zumindest die Details, die mir meine Quelle aus der Hafenmeisterei verraten hatte. Aber das genügte mir eigentlich schon um zu wissen was da zwischen den beiden lief und genauso wusste ich, dass ich in dieser Beziehung machtlos war. Doch ich konnte es natürlich immer auf die "amtliche Schiene" schieben, schließlich waren wir alle gefangen in unseren Positionen. Die Connetable nicht anders als wie diese Cabarrus, der ich großzügiger Weise die Chance eröffnet hatte sich mir gegenüber zu beweisen. Und ebenso schnell konnte ich dieser Hure all das wieder weg nehmen, dank meiner Position … Ich hörte also sehr genau zu.