Empire Outremer

Der Seneschall hatte Recht, der Weg vom Hotel zur Kathedrale war tatsächlich fußläufig hervorragend zu erreichen. So ein Spaziergang am frühen Morgen - nach einem knappen Frühstück, da er versehentlich etwas länger geschlafen hatte als gedacht - wirkte neben dem Kaffee sehr ermunternd.
Als er um Punkt 08:29 Uhr (laut der großen Uhr an der Kathedrale) das Gelände vor der Kathedrale betritt, sieht er Leute in Sportkleidung. Einer strecht, einer kratzt sich im Schritt, einer trägt eine Fahne und der vierte... ist auch anwesend.

Mit dem feinsten Diplomatenlächeln geht er zu dem Mann mit der Fahne und sagt:
"Guten Morgen. Ich hoffe, ich störe Ihren Frühsport nicht. Die Kaiserin erwartet mich heute - Lord Lord Reis, Diplomat aus dem Königreich Pottyland."

Seinen Diplomatenausweis zeigend (nach dem unnötigen Stop gestern vor dem Schloss hielt er das für sinnvoll) schaute er alle vier an. Er sprach laut genug, dass jeder von ihnen sein Anliegen mitbekommen haben dürfte - dabei aber sehr freundlich und höflich.

<Umkleiden? Als ob ich nach der Aktion im Hotel mein Sakko auch nur einen Zentimeter von mir weglegen würde...>

Lächelnd sagte er zum Capitaine, während er eine Autogrammkarte und einen Stift aus seinem Sakko zog:
"Ein Autogramm ist natürlich kein Problem. Wie heißt Ihr Neffe?"

<Offenbar betreiben die Leute hier Power-Walking. Oder Frühsport. Oder das ist die normale Uniform für Soldaten vor einer Kathedrale, was weiß ich schon.>

"Wo genau erwartet mich die Kaiserin?"

"Ach, lassen wir die Kaiserin in Ruhe ihre Runden drehen. Hätte ich gewusst, dass sie gerade ihren Frühsport macht, wäre ich erst später vorbeigekommen."

Er schaut den Herrn an, der ein Autogramm wollte

"So, wie man's spricht? Oder mit einem "q", "h" oder "y" irgendwo? Heutzutage gibt es ja so viele Schreibweisen..."

<Hat der Fischstäbchen geraucht? Der erschien erst so nett...>

Mit einem Lächeln sagte er recht flüchtig

"Ich glaube, der Seneschall ist ein Scherzkeks. Oder er hat einfach vergessen, mir diese Information mitzugeben. Das ist aber kein Problem, denn ich bin ein Mann, der weiß, wo sein Handtuch ist. Hier - die Autogrammkarte für Ihren Neffen. Versuchen Sie, Schritt zu halten!"

...und elegant wie eine Gazelle joggte der Minister los, um die Kaiserin abzupassen.
Auch wenn man es ihm vielleicht nicht ansah, aber mit seinen 45 Jahren war er trotz aller Feiereien, Staatsbankette und Ähnlichem unheimlich fit. Zum einen half ihm dabei natürlich der Matratzensport, zum anderen nutzte er aber auch seine wenigen freien Minuten für Jogging, Krafttraining oder Konditionsübungen. In seiner Position war das notwendig - man wusste nie, ob er nicht einmal in gefährliche Situationen geraten würde. Dass er dadurch ebenfalls ein Experte in diversen Kampfsportarten ist, sieht man ihm ebenfalls nicht direkt an.

Nachdem er ein paar Runden gedreht hatte, bei denen er nicht die Kaiserin sah - aber sich einen Spaß daraus machte, die vier seltsamen Leute auszupowern -, blieb er stehen und schaute die traurigen Gestalten an. Die gehörten garantiert nicht zur kaiserlichen Leibwache, das war ihm schon vom ersten Anblick an klar gewesen. Und für sie sollte der Tag heute gelaufen sein.

"Na, noch ein paar Runden?"
rief er ihnen fröhlich lächelnd zu, obwohl er die Antwort schon kannte.

"Ich geh dann mal wieder. Schöne Grüße an Joscelin und - schön fit bleiben, ihr Lieben!"

Missmutig über diese Finte des Seneschalls, aber gut gelaunt wegen des Frühsports ging er zum Hotel, um - mal wieder - zu duschen und sich umzuziehen. Duroc hätte wahrscheinlich mit ihm mithalten können, wäre vielleicht sogar eine sportliche Herausforderung gewesen. Diese vier Flitzpiepen hingegen... Sie waren letzten Endes Bauernopfer, aber das hatten sie verdient.