Nun, trotz aller Freizeiten, Unternehmungen, Entspannung und Liederlichkeiten, das Brieftaschengeld eines Leibwächters reichte beileibe nicht aus, den Lebensstandard, die Materialen und Kleidung eines gut situierten Herren zu finanzieren. Es war also an der Zeit, wieder an etwas Geld und an neue Informationen zu kommen. Aber da traf es sich doch vorzüglich, dass eines der Leben, das er im Laufe der Zeit verinnerlicht hatte, dass des offiziellen Amtsmalers war, der die ehrbaren Portraits der Abgeordneten anfertigte. Natürlich hatte jedes einzelne Bild den besonderen Schliff, das bedrohlich Lebensechte. Zum Beispiel war es ihm gelungen, den Abgeordneten Jussac mit angemessener Würde auf die Leinwand zu bekommen, aber aus einem gewissen Winkel betrachtet, wurde der Ausdruck des Mannes auf dem Bild wie der eines hungrigen Kannibalen, der den Betrachtenden wohl am liebsten verschlungen hätte. Nun, als der Maler Jean-Babtiste du Lac, ein komischer Kauz mit offensichtlich meisterhafter Exzentrität, der gepuderten Perücke, dem edlen Spazierstock und den feinen Stiefeln eines Modeliebhabers der Theaterausverkäufe, war Marat allen Durchleuchtungen und Untersuchungen zum Trotz nie aufgeffallen. Er lebte in einer kleiner Künstlerwohnung im Operntrakt, die von einer strengen Haushälterin gereinigt und gehegt wurde. Seine Verhalten war merkwürdig, aber seiner Arbeit gegenüber nicht schädlich. Er war gewitzt, schlagfertig und hatte immer ein offenes Ohr für die Wut und die Probleme der Abgeordneten. Und er war verschwiegen, denn nie drang etwas davon nach außen. Integrität war wichtig, auch wenn dies eher zur Informationsbeschaffung des Marat diente. Aber du Lac war sicher über jeden Zweifel erhaben, ein wenig verschroben, aber das war an dieser Stelle in diesem Amt ja faktisch zu erwarten. Und als Künstler mit seiner Liebe zum Detail fast unerreicht. Auch wenn die Bilder dem Nachtdienst beim falschen Licht wie ein Gruselkabinett erschienen. Aber wer hörte schon auf einen abergläubischen Wachmann?
Jedenfalls war es Zeit, die neueste Abgeordnete der Sammlung hinzuzufügen und so befleißigte sich der fromme und zuvorkommende Künstler der ehrbaren Abgeordneten Cabarrus einen langatmigen Brief mit dem Hinweis auf die edlen Traditionen und Vorschriften zu schicken, die sie zu achten hätte und sich selbst für einen Termin am morgigen Tage anzukündigen. Nun, dabei könnte du Lac der netten Dame sicher etwas für Barras mitbringen. Es galt, alte Kontakte wiederaufleben zu lassen. Er hatte das Leichentuch noch irgendwo in einem Lager, fein luftdicht wegverpackt. Ob es Barras noch interessierte, wer seine Frau wirklich ermodet hatte?
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