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21

Samstag, 4. April 2020, 01:39

<Anielle wird mich also töten. Und was macht diesen arroganten Kerl da so sicher? Er hält sich wohl für allwissend oder kann er Gedanken lesen? Oder hat Anielle ihm das etwa höchstpersönlich gesagt?>

Letzteres wäre in der Tat ein Schock, doch ehrlich gesagt glaubte Therese nicht daran und aus dem Mund dieses Verrückten gleich zweimal nicht, selbst wenn aus ihm die Wahrheit spräche. Apropos Wahrheit. Wie könnten sie eigentlich sicher sein, dass Marat ihnen hier nicht irgendwelche Geschichten erzählte, die allein seinem kranken Gehirn entsprungen waren?

Und dazu dieses Fragespiel. Fünf Fragen durften sie also stellen. Fünf! <Wie gnädig und und was dann?> Würden sie sich dann von einander verabschieden und jeder ginge einfach so seiner Wege? Das glaubte doch niemand. Zudem waren fünf Fragen nicht sehr viel und zwei davon hatte Thierry bereits verbraucht.

< Wie wäre es mit …. Wer ist der Mörder?> Was würde Marat darauf wohl antworten? <Wahrscheinlich wird er sagen: Tut mir leid, den Namen kenne ich nicht, das war dann Frage Nummer drei. Die nächste bitte.> So oder ähnlich stellte sich Therese den weiteren Verlauf der Fragerunde vor, nur würden sie auf diese Weise nie weiter kommen. Das Ganze war doch eine einzige Farce.

Mit einem mürrisch klingenden Laut tippelte Therese mit den Fingernägeln auf der Tischplatte herum, nachdem sie neben Thierry Platz genommen hatte. Gleichzeitig wanderten ihre Augen unablässig zwischen Thierry und ihrem Gegenüber hin und her, ohne aber einen weiteren Ton zu sagen. Vorerst! Doch spätestens nach Frage Vier würde sie sich wohl nicht länger zurück halten können ...
Therese Cabarrus
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Thierry Barras

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22

Samstag, 4. April 2020, 12:00

Thereses Tippeln mit den Fingernägeln machte ihn unnötig nervös und ließ ihn spüren, dass eine gewisse Anspannung in der Luft lag.
Er flüsterte zu ihr

"Bitte hör mit dem Tippeln auf. Ich habe zwei Fragen gestellt, die nächsten beiden gehören dir - und die letzte überlegen wir zusammen."

Er wusste, dass Therese ihre Fragen mit Bedacht wählen würde. Und er überlegte, wie sie in dieser Situation wieder die Oberhand gewinnen würden. Es gefiel ihm nicht, dass Marat den Ton angab und die Bedingungen stellte - etwas, das er Therese auch ganz deutlich anmerkte. Doch er war im Gegensatz zu seinem Gegenüber unbewaffnet - und offensichtlich war seine Kondition schlechter als die des alten Mannes. Zudem wollte er Therese nicht in Gefahr bringen.
Ausnahmsweise hätte er es sogar begrüßt, die Connetable zu erblicken. Marat hatte offensichtlich Respekt vor ihr und sie würde nie zulassen, dass Therese etwas passierte. Ob sie ihn jedoch ins offene Messer laufen lassen würde... Nun, da konnte er sich nicht sicher sein. Möglicherweise würde sie die Situation für ihn nur noch verschlimmern.
Hmm... nein. Sie würden diese Situation gemeinsam durchstehen und versuchen, das Beste herauszuholen. Anschließend konnte an Marat immer noch jagen - oder jagen lassen. Wer einen Senator bedrohte, hatte wohl nichts zu verlieren... Gut, auch das könnte man auf die Probe stellen.
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23

Samstag, 4. April 2020, 14:30

Langweilig. Marat überlegte wirklich, ob er einfach gehen sollte. Der hintere Ausgang führte zwar in einen Lagerhallenbereich ohne offiziellen Ausgang, aber dort befand sich auch die verdeckte Luke zum unterirdischen Labyrinth. Hinter der Balkontür musste man auf der Balustrade ein wenig balancieren, dann erreichte man die Feuerleiter mit Weg zum Dach, von dem aus man entweder zurück zum Konvent oder zur leeren Botschaft Dreibürgens kam. Und dann könnte er den schlaffen Senator auch einfach bei Seite drängen und das Gebäude so verlassen. Aber Marat brach ungern sein Wort, wenn es nicht unbedingt nötig war. Und sie hatten hier eine Menge Zeit, so zwei bis drei Stunden, ehe jemand ankam.

"Eine andere Möglichkeit dazu gab es nicht mehr. In einem Monat bin ich entweder tot oder weit fort von der Hauptstadt ohne jemals wieder freiwillig zurückzukehren." War er gnädig? Na gut. "Und der Mörder hatte die Frechheit, mich bei meiner Arbeit zu stören und das noch so unprofessionell; wenn Du ihn daher zur Strecke bringst, sollte allen geholfen sein. Und weder Duroc noch der Oberste Richter sollten unerfreut darüber sein, wenn diese Plage endlich aus der Welt ist. Wen auch immer Deine Frau beleidigt haben sollte, dass ihr ein kasemuffischer Attentäter auflauerte." Mit ein wenig Glück würde bei ihrer Jagd nach dem Alten vom Berge und seiner Meuchlertruppe auch etwas Ablenkung entstehen, das konnte Marat nur zum Vorteil gereichen. Und warum die Kasemuffen Thierrys Frau beseitigten, war mehr als offensichtlich gewesen. Die Kaiserin, der Oberste Richter und Konsorten spielten sich danach wunderbar auf Thierry ein, statt den wahren Täter ausfindig zu machen. Normalerweise hatte Marat wenig für solche Meuchlerbanden und Terrornetzwerke übrig, da sie in ihrer Professionalität und Operationsorganisation weit unter ihm agierten, aber dieses Hineinpfuschen in seine Arbeit hatte ihn wirklich genervt. Dadurch, dass sich ihre Kreise ansonsten nie berührten, hatten sie auch keine Verbindung zu Marat herstellen können, nachdem er dem Alten die Fingerkuppe abgetrennt hatte, da sie sein Motiv nicht mal ansatzweise erahnen konnten.
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24

Samstag, 4. April 2020, 14:36

Der Senator musste tief durchatmen... Marat würde in einem Monat tot oder weit weg sein? Zu gerne würde er fragen, weshalb - aber er hatte schon zwei der Fragen verbraten, ohne befriedigende Antworten zu kriegen.
Ein kasemuffischer Attentäter? Das klang nun wieder überhaupt nicht nach Duroc... Oder war genau das seine Finte gewesen, um die Spur von ihm abzulenken? Warum war Marat überhaupt am Tatort gewesen? So viele Fragen, so wenige Möglichkeiten...

Mit angehaltenem Atem ließ er sich diese Worte durch den Kopf gehen...

<Wen auch immer Deine Frau beleidigt haben sollte, dass ihr ein kasemuffischer Attentäter auflauerte.... Hortense hatte nie jemanden beleidigt, nur Duroc eine Abfuhr erteilt... oder hatte sie das?>

Für Barras passte noch immer nicht alles zusammen. Er hoffte darauf, dass Thereses nächste Frage gezielter kommen würde und mehr Licht ins Dunkel brächte.
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25

Samstag, 4. April 2020, 23:50

Auf Thierry´s Bitte hin nahm Therese die Hand vom Tisch und verschränkte stattdessen die Arme vor der Brust, während sie über das bislang Gesagte nachdachte. Nach dem Namen des Mörders müssten sie jetzt nicht mehr zwingend fragen sofern sie die Geschichte von dem kasemuffischen Attentäter glauben würden, der Hortense angeblich getötet hat. Stattdessen wäre es nun interessanter und wichtiger zu erfahren, wer der oder die Drahtzieher wäre(n). Diese(n) müsste Marat allerdings nicht zwingend kennen, auch wenn er dem Mörder persönlich begegnet war. Ob der Mörder noch lebte, oder hatte Marat ihn gar umgebracht, nachdem er ihn bei der Abreit gestört hatte? Möglich wäre alles. An einer abgenommenen Fingerkuppe allein starb man jedenfalls nicht, doch zumindest würde man eine bleibende sichtbare Narbe zurück behalten <Soweit mich mein medizinisches Allgemeinwissen nicht täuscht>.

Hatte Duroc eigentlich noch alle Fingerkuppen beisammen? Dummerweise hatte Therese ihm im Mique Tsao nicht bewusst auf die Hände gestarrt, sonst hätten sie jetzt die Gewissheit gehabt, dass … <ja und welche?> Die Gewissheit, dass sie im Grunde keinerlei Ahnung hatten ob ihnen Marat tatsächlich die Wahrheit sagte. Nur wie sollten sie das heraus finden? Fragen über Fragen und nur noch drei Fragen frei. So langsam kam sich Therese vor wie in einer Spielshow bei der man den Beruf des Gegenübers mit einer vorgegeben Anzahl Fragen oder in einer bestimmten Zeit erraten musste. Apropos Zeit! Marat würde bestimmt nicht ewig so ruhig bleiben wie im Augenblick noch.

<Ob Achmed-al-Ibaba etwas darüber wissen könnte?> Nebenbei fiel Therese ein, dass sie ja gewisse Kontakte zu den Kasemuffen hatte. Und wenn den Kasemuffen in der Vergangenheit ein Mord angehängt worden wäre und vielleicht Duroc darin verwickelt wäre, dann könnte Idi durchaus etwas davon wissen. Nur ob er ihnen helfen würde?

Schon wieder eine Frage, eine weitere These und noch mehr Ungewissheit. Wo sollte das nur hinführen?. Therese atmete einmal tief durch. Anscheinend wollte Thierry, dass sie die nächste Frage stellte. Nu gut, irgendwie mussten sie weiter machen und so wandte sie sich direkt an Marat:

"Sie sprachen gerade davon, dass der Mörder die Frechheit besaß sie bei der Arbeit zu stören. Wenn Sie also wussten, dass dies der Mörder von Hortense ist, dann müssten sie eigentlich den Mord mit eigenen Augen beobachtet haben. Es könnte ihnen aber auch jemand erzählt haben, wer der Mörder von Hortense ist. In beiden Fällen wäre es - ihren Worten nach - ein kasemuffischer Attentäter gewesen, der sicherlich nur im Auftrag gehandelt hätte. Nun könnte ich nach dem Auftraggeber fragen, doch den müssten Sie ja nicht zwingend kennen, außer der Attentäter hat ihnen den oder die Namen verraten - vor oder - nachdem Sie ihm die Fingerkuppe abgenommen haben. Deshalb frage ich mich und Sie, welche "Arbeit" hatten sie da gerade ausgeführt, als der Mörder von Hortense sie offenbar zur unrechten Zeit dabei gestört hat. Und bitte lassen Sie keine Details aus, denn für Rückfragen reicht unser knapp bemessenes Kontingent leider nicht aus …"

Ein bisschen kam sich Therese gerade wie eine Kriminalbeamtin vor, die hier ein Verhör zu führen versuchte, wobei sie sich niemals anmaßen würde ihre Ermittlungstaktik mit einer ausgebildeten Polizistin zu vergleichen. Sie versuchte nur so viele Schlüsse (in der hoffentlich richtigen Folge) zu ziehen, um daraus wiederum die richtige Frage abzuleiten - auf deren Beantwortung sie nun gespannt wartete.
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26

Sonntag, 5. April 2020, 00:51

Es wurde doch noch interessant. Marat beugte sich vor und gestattete sich ein knappes Lächeln. Nur warum wollte die Cabarrus statt dem Mörder nun unbedingt seine Arbeit durchleuchten? Dachte sie vielleicht, damit könne sie sich vom Zorn der Saint-Just freikaufen, wenn sie diese leichtsinnigerweise nach dem Orden fragte? Aber dann hatte sie wohl nicht bedacht, dass Annielle nur die Anwärterin auf die Führung war und nicht der Ordensmeister. Nun, zuviel sollte er ihr dennoch nicht verraten, denn die Details wären in den falschen Händen auch nach all der Zeit für seine Arbeit gefährlich. Wie formulierte er es wohl am besten?

"Ich brauchte ein Dokument für meine Arbeit, aber da der Mörder meine Suche unterbrach, habe ich leider nur ein unvollständiges Blatt erhalten." Der Mord war wirklich ärgerlich gewesen. Er konnte längst weg sein, wenn er das vollständige Dokument schon damals bekommen hätte. Aber Blutflecken zerstören wichtige Schriftstücke weit besser als man annehmen mag, vor allem noch wenn sie im Kampf mit dem Mörder zerfetzt werden. Er hatte später den Rest erhalten, musste aber dadurch erst solange warten, dass er jetzt mit den Kindern vor ihm zu tun hatte.
"Um es ganz deutlich zu sagen, bin ich in die Wohnung des jetzigen Senators eingebrochen und habe versucht, das Objekt an mich zu bringen. Der Attentäter traf kurz vor mir ein. So konnte ich den Kampf beobachten, aber auch ein Einschreiten meinerseits hätte das Opfer nicht retten können. Ich verbarg mich danach und wartete, bis Mörder und Thierry fort waren. Dann schloss ich meine Suche ab und verließ das Anwesen auf dem gleichen Weg." Vielleicht war das ja ausreichend, um ihr so viele Zweifel in den Kopf zu setzen, dass sie nichts mehr unternahm, weil sie ihn für einen Verbrecher hielt - eine nicht ganz unangemessene Einschätzung, wenn Marat ehrlich zu sich selbst war.

"Ich werde Ihnen nicht sagen, was ich gesucht habe, daher verschwenden Sie Ihre Frage besser nicht darauf."
Die Fairnis würde sie nur noch mehr verunsichern. Dann stellte sie vielleicht auch keine entscheidende Frage.
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27

Sonntag, 5. April 2020, 01:22

Thierry war drauf an dran, aufzustehen und Marat zu packen. Mit welcher Dreistigkeit er von dem bis dato unaufgeklärten Einbruch in seine Wohnung erzählte, war erstaunlich. Endlich wusste er, wo der wertvolle Kunstgegenstand, den er seitdem vermisste, gelandet war... Es hätte ihm klar sein müssen, dass dieser nicht der Grund für den Mord war. Die Puzzleteile fügten sich langsam zusammen.

Therese hatte ihre Frage durch die Vorbemerkungen gut formuliert - etwas, das ihm nicht in den Sinn kam. Gedanklich applaudierte er ihr für diese Art der Fragestellung, merkte er doch an Marats Antwort, dass er ebenso dachte.

"Ein Dokument, pah... ein wertvolles Kunstobjekt hast du gestohlen..." murmelte er mehr in sich hinein - jedoch so laut, dass Therese es hören konnte.

Er hätte das Opfer nicht retten können? Wie stark sollte dieser Attentäter gewesen sein? Er war schnell, ja. Barras konnte ihn nicht einholen und fassen.
Eine Frage nach dem Auftraggeber wäre jetzt auch sinnlos. Marat war einfach zur falschen Zeit am richtigen Ort. Über diese Erkenntnis war der Senator ein wenig enttäuscht, hatte er ihm doch zugetraut, mehr Details zu kennen. Was wussten sie jetzt? Dass irgendein kasemuffischer Attentäter Hortense ermordet hatte, Marat ihm eine Fingerkuppe abnahm und zufällig in der Nacht, in der sie ermordet wurde, bei ihm eingebrochen hatte... Das war mehr als nichts, doch es half ihm nicht wirklich weiter.

<Sollten wir ihn fragen, was Duroc damit zu tun hat?> Diesen Gedanken sprach er kurz, nachdem er ihm in den Kopf kam, auch aus - jedoch nur in Thereses Ohr, hinter vorgehaltener Hand, ehe er Marat gegenüber sagte.

"Deute das Flüstern nicht als Unhöflichkeit. Die letzten beiden Fragen wollen wohl überlegt sein."

Wie lange müssten sie ihn hier in der Kantine festhalten, damit weitere Leute kämen und auf ihn aufmerksam werden würden?
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28

Sonntag, 5. April 2020, 13:05

<Er brauchte ein Dokument für seine Arbeit und hat nur ein unvollständiges Blatt erhalten … Na bravo! Er will uns nicht sagen, was genau er dort gesucht hat. Das war ja so klar, dass dieser Kerl nur wieder in weiteren Rätseln und Andeutungen sprechen würde.>

"Wie schade, dass Sie uns das nicht verraten wollen, Maitre. … Bei unserem ersten Treffen waren Sie weitaus gesprächiger." <Was den Orden betraf. … Heißt das nun, dass das Gesuchte mit dem Orden zu tun hat? >

Zischte Therese in Richtung Marat, die Frage wohlweislich nicht laut äußernd, ihm dafür aber ein gespielt aufgesetztes Lächeln zurückspielend. Unabsichtlich begann sie dabei wieder nervös mit den Nägeln auf der Tischplatte zu tippeln, bemerkte dies aber sogleich, nahm die Hand zurück und blickte Thierry entschuldigend an.

Nachdem ihre Worte nur eine Feststellung gewesen waren, verblieben also immer noch zwei Fragen. <Und was wollen … oder dürfen wir ihn fragen. Dieser Schuft! Er spielt wahrhaftig mit Thierry und mir. Wenn ich nur wüsste, wie wir diesen Kerl endlich zum reden bringen könnten.> Details möglicher Verhörmethoden verwahrte Therese - trotz der unbefriedigenden Ausbeute ihrer Frage - wohlweislich in den Tiefen ihrer Gedanken, anstatt sie laut zu äußern.

Stattdessen hörte sie Thierry zu und teilte ihm wiederum ihre Gedanken dazu mit, in dem sie nun ihre Lippen an sein rechtes Ohr führte - mochte Marat von diesem Getuschel halten was er wollte:

"Er sagte vorhin, dass weder Duroc noch der Oberste Richter unerfreut darüber wären, wenn diese Plage endlich aus der Welt wäre. In diese Sache scheint also nicht nur Duroc allein involviert zu sein. Wenn du meinst, dass Marat etwas brauchbares über Duroc verraten kann, dann frag ihn. Vielleicht können wir das später gegenüber dem Seneschall verwenden. … Aber sag mir noch, von welchem Kunstobjekt hast du gesprochen, dass er dir angeblich gestohlen hat? … Marat will uns nicht verraten nach was er gesucht hat, doch er wollte uns alle Fragen beantworten - außer Fragen zum Orden. Heißt das nun, dass es etwas damit zu tun hat … und mit Hortense? Ich kann mir nicht helfen, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass Hortense da in mehr verwickelt war als wir beide glauben wollen.

Nachdem sie Thierry ihre Überlegungen soweit mitgeteilt hatte, lehnte sich Therese wieder zurück und über ließ es ihm, die Frage gegenüber Marat zu stellen. Sie selbst fixierte den ehemaligen Maler und Künstler du Lac währenddessen wieder mit den Augen und sie konnte es immer noch nicht glauben, dass ein ganz Anderer dieses Bild von ihr gemalt hatte. Ein, in der Tat, sehr schönes Werk, aber das machte Marat auch nicht sympathischer.
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Thierry Barras

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29

Sonntag, 5. April 2020, 14:03

Therese gab ihm neue Ansatzpunkte, neue Überlegungen... Duroc und der Oberste Richter wollten beide die Kasemuffen aus der Welt haben? Oder ging es um eine Organisation der Kasemuffen?

"Das Kunstobjekt... ich versuche, mich zu erinnern... Du weißt, ich habe mich nie sonderlich für sowas interessiert, aber Hortense hatte dem Stück immer einen großen Wert beigemessen... Es tut mir leid, ich weiß nur, dass etwas fehlte - aber nicht mehr, was genau es war..." ...flüsterte er Therese zu, ehe er Marat mit entschlossenem Blick fixierte.

"Gut, du bist dir sicher, dass der Attentäter ein Kasemuffe war. Und würde ich dich fragen, wer genau es war, würdest du wie bisher auch recht ausweichend antworten. Ob du den Täter wiedererkennen würdest oder nicht, wäre in einem Prozess ohnehin egal, wenn du nächsten Monat weg vom Fenster bist. Du hast nichts zu verlieren und alles zu gewinnen... Und doch treibst du hier dieses Ratespielchen mit uns."

Thierrys Körper spannte sich an. Er redete sich in eine leichte Rage, ohne es zu wollen. Um wieder klar denken zu können, schloss er die Augen und schüttelte den Kopf, als könne er die Rage damit abschütteln.

"Doch ich glaube, du weißt mehr, als du zugeben möchtest. Du bezeichnest den Kasemuffen als "Attentäter", nicht als "Mörder". Und du hast dir unsere Wohnung nicht aus Spaß ausgesucht."

Es fiel ihm schwer, die Frage so zu formulieren, dass er die Antwort bekommen würde, die er brauchte.

"Für wen arbeiten diese Kasemuffen? Du weißt es, da bin ich mir sicher."

Schuldbewusst schaute er Therese an. Diese Frage war zu offen gestellt und ließ zuviele Ausweichmöglichkeiten zu, doch er konnte sie nicht zurücknehmen. Mit gesenktem Blick hauchte er nur
"Die letzte Frage gehört dir..."
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30

Sonntag, 5. April 2020, 20:57

Okay, jetzt wurden sie doch sehr seltsam. Diese Paarnummer wirkte wie aus einer schlechten Verfilmung dieser Serienmördereheleute, die gemeinsam durch die Gegen fuhren und Leute umbrachten, weil sie nur so Sex haben konnten oder was auch immer. Außerdem wurden die Fragen immer seltsamer. Vielleicht sollte er wirklich einfach gehen, weil man sie irgendwann einweisen würde und dann war das hier auch noch vergebliche Mühe. Die Cabarrus mit ihrem Fingertrippelfetisch und der Barras mit seinem Schnaufen. Marat hatte verstanden, dass er nicht gut in Form war, aber er konnte auch einmal aufhören zu schniefen und zu schnaufen. Klar, Konvent und Senat waren wie Klapsmühle und Zoo in einem, aber normalerweise sollten die Amtspersonen dort irre rauskommen und nicht bereits geistesgestört eingeliefert werden.

"Ich gewinne hier gar nichts, ich habe kein Geld für das Bild erhalten und ich verschwende hier Zeit mit sinnlosen Fragen. Aber gut, nach dem Debakel habe ich auch nichts Besseres zu tun. Wollt ihr wirklich hier drei Stunden herumhocken bis die Alte kommt, die hier einmal am Tag putzt?" Ratespielchen, pah. Zu der Fingerkuppe gehörte auch ein Muster und diesem Abdruck war in der Kriminaldatenbank ein Mann zugeordnet. Wenn die beiden nicht völlig durchgeknallt wären, hätten sie den ganzen Fall lösen können, ohne ihm eine einzige Frage zu stellen. Aber sie waren offensichtlich nicht bei klarem Verstand. Gut, er würde ihnen jetzt die komplette Wahrheit ins Gesicht sagen und sie würden ihm nicht glauben, jede Wette darauf.

"Den genauen Namen des Mörders deiner Exfrau kenne ich nicht, aber sein Auftraggeber ist der Alte vom Berge und das im Tuch ist die Vakuumhülle mit der linken Daumenkuppe des Alten. Der Alte vom Berge hat angeblich seinen bürgerlichen Namen längst abgelegt, hat mich auch nie interessiert und eure blödsinnigen Intrigen interessieren mich auch nicht weiter. Wahrscheinlich glaubt ihr auch, dass nur Duroc, Saint-Just und die Kaiserin hinter allem stecken. Für euch existieren keine weiteren Fraktionen, es kann ja auch gar nicht sein, dass es Kasemuffen gibt, die nichts mit dem Empire zu tun haben wollen und für die deine Exfrau einfach nur ein leichteres Ziel war."
Er zeigt den Beiden einen Vogel.

"Klar stecken da nur Duroc und die Kaiserin dahinter, es gibt keine anderen Gruppen im Reich, keine Unabhängigen, keine anderen Interessen und der Himmel hat die Farbe von Infraschwarz und Elefanten sind naturbraun. Los, stellt mir die letzte Frage, ihr glaubt doch sowieso nur an eure simple kleine Welt aus Einfachheiten. Bringen wir es hinter euch." Bei allem was heilig war, wenn er bei seiner Aufgabe wirklich sterben sollte, dann war er wenigstens die Möchtegernelite dieses Landes los, die sich alle für so clever hielten, aber keine komplexere Sache als einen Oktaeder verstehen konnten. Er nahm ein Messer heraus und begann sich vorsichtig die Nägel zu reinigen. Vielleicht half das ja dabei, die Sache hier zu beschleunigen.
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31

Sonntag, 5. April 2020, 22:19

Er war zu wütend, um etwas zu sagen. Marat wurde mit jeder Aussage überheblicher. Er schien etwas hineinzuinterpretieren, was er nicht gesagt hatte.
Sicher, Barras hatte Duroc hinter allem vermutet - und er vermutete es immer noch... doch das konnte Marat unmöglich wissen. Oder doch?

<Der Alte vom Berge... Fuck, wer soll das schon wieder sein?>

Natürlich fragte er nicht danach, wer der Mörder war. Er hatte die Beweismittel, um ihn zu überführen - dank der Fingerkuppe, die er jetzt noch genauer bezeichnen konnte... könnte.

Das ganze Unterfangen hier war sinnlos. Auch die letzte Frage würde nicht genügend Licht ins Dunkel bringen. Die Antworten waren unbefriedigend und je mehr Marat redete, desto weniger schien er zu sagen.

<Was macht er da mit dem Messer?>

Barras war kurz davor, aufzuspringen - doch er hielt im letzten Moment inne. Er pflegte sich die Nägel!?
Verwirrt schaute er Therese an. Er hatte keine Fragen mehr. Hatte sie noch eine?
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32

Sonntag, 5. April 2020, 23:35

<Was hat Marat nur in Thierry´s Haus gesucht? … Ein Dokument um seine Arbeit zu vollenden, aber er wird es uns nicht verraten, … zu schade, dass Thierry sich nicht mehr erinnern kann, ob und was aus seinem Haus gestohlen wurde> Die Frage was Marat überhaupt im Haus zu suchen gehabt hatte, beschäftigte Therese im Augenblick fast mehr als die Frage, wer nun tatsächlich für den Mord an Hortense verantwortlich war. Ob nun Duroc allein, oder er zusammen mit der Kaiserin, der Mann vom Berge oder wer auch immer, … gefühlt würden die gesammelten Informationen und Beweise durchaus reichen, um der Aufklärung des Mordes ein ganzes Stück näher zu kommen. Und wem hatten sie all diese Informationen und Beweise zu verdanken? <Marat!> Diesem überheblichen Irren, der bei dem Mord an Hortense offenbar rein zufällig anwesend gewsesen war. So stellte sich Sachverhalt zumindest für Therese gerade dar.

Und deshalb kreisten ihre Gedanken momentan nicht um den Mörder von Hortense, sondern um diesen Irren, der ihnen da gerade gegenüber saß und der sich in seiner kranken selbstgerechten Welt sonnte, während er sich mit einem Messer die Fingernägel manikürte. Für Therese war klar, dass dieser Mann verrückt - aber auch gefährlich - war, denn wer sonst spielte in einer Verkleidung eine andere Person, brach in fremde Leute Häuser ein und benahm sich dabei, als wäre er Gott selbst und über alles und jeden erhaben. Was bildete er sich eigentlich ein, sich über scheinbar sinnlose Fragespielchen zu echauffieren, auf die er sich selbst eingelassen hatte…

Nur ein Irrer - ein Verbrecher - ein irrer Verbrecher würde so handeln und nichts anderes sah Therese in dem Mann, der ihnen da gegenüber saß. Egal ob er nur ein Einbrecher war, der etwas bestimmtes gesucht hatte und nur zufälligerweise dabei Zeuge eines Mordes geworden war. Für Therese waren derartige Subjekte alle gleich: Sozialer Abschaum, den niemand brauchte und der nur unnötig die Gesellschaft belastete und den man deshalb ausmerzten sollte, wann du wo auch immer man auf ihn stieß.

Zu schade, dass sie nicht in der Lage waren, diesen Kerl ein für alle Mal unschädlich zu machen, da machte sich Therese nichts vor. Marat hatte ein Messer und weder sie noch Thierry wären so abgebrüht, es ihm abnehmen zu wollen. Schließlich hielt sich Therese selbst weder für unfehlbar noch für unverwundbar und eine Heldin war sie gleich zweimal nicht, schließlich war sie nur ein einfacher und rechtschaffener Mensch. Rechtschaffen! Genau das unterschied sie von jenem Subjekt, welches ihnen da gegenüber saß und das sie mit aller Verachtung anstarrte:

"Ich denke wir sollten dem Maitre die letzte Frage ersparen, was meinst du Thierry? Wir haben ihn schon viel zu lange mit unseren unsinnigen Fragen aufgehalten. Wo er doch eine gar so wichtige Aufgabe zu erledigen hat, …nicht wahr? … Eine Aufgabe, die er womöglich nicht mehr vollenden kann, nachdem dieses Dokument - welches er ausgerechnet in deinem Haus gesucht hatte - dummerweise durch den Mörder Deiner Frau zerstört worden ist. So ein Zufall, findest du nicht auch?"

Therese warf einen Blick zu Thierry, der sichtlich wütend war, doch Wut würde ihnen nichts bringen, weshalb sie ganz trocken und bewusst zu ihm (und nicht zu Marat) gewandt weiter sprach:

"Das kann uns aber egal sein. Entweder er hat uns hier die ganze Zeit etwas vorgelogen, oder es ist etwas wahres dran. Wir werden es heraus finden. Wir haben genügend Spekulationen und Beweise, um zumindest Dich von aller Schuld an Hortenses Tod los zu sprechen. Genau das wollten wir doch, oder nicht? Aber DER da wird sicherlich ein Problem haben, seine Arbeit zu vollenden nachdem das Gesuchte in Deinem Haus dummerweise zerstört worden ist. Zu dumm für ihn, aber das kann uns egal sein, oder?"

Es war unschwer zu erraten, dass Therese diesen arroganten Kerl zumindest noch einmal gehörig provozieren wollte, egal ob sie damit Erfolg haben würde oder nicht. Und deshalb stand sie auch ohne weitere Umschweife auf und streckte die Hand nach Thierry aus: "Komm Liebling, ich für meinen Teil habe genug gehört, oder möchtest Du dem Maitre noch eine letzte Frage stellen?"

Dass ihr Herz bei diesen Worten bis zum Hals schlug, blieb hoffentlich ihr Geheimnis schließlich hatte Therese schon so manche brenzlige Situation heil überstanden. Nichtsdestotrotz war sie nicht so abgebrüht, dass sie glaubte jederzeit sämtliche Fäden in der Hand zu halten um den weiteren Verlauf der Geschichte allein zu bestimmen … auch wenn sie fest vor hatte die Mensa (gemeinsam mit Thierry) zu verlassen …
Therese Cabarrus
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33

Sonntag, 5. April 2020, 23:52

Während die Cabarrus ihr kleines Schauspiel vorführte, kam Marat eine verwegene Idee. Nach dem heutigen Tag war er weder in der Lage, die Wohnung an der Oper zu besuchen, noch bot es sich noch an, nach Hause zu gehen. Und es wäre an sich so schade, die Sachen dort verstauben zu lassen, egal wie gut gepflegt sie hinter Schutzglas hingen oder standen. Er würde eines seiner anderen Verstecke nutzen müssen und wenn er die Sache überlebte, dann sollte er besser anderswo ganz neu anfangen. Nun, dann konnte man die Sache abschließen. Marat dachte in dem Moment nicht daran, dass er daheim noch Spuren hinterlassen hatte, wenn auch keine so offensichtlichen. Er war von seiner eigenen Gewitztheit so geblendet, dass er diesen kleinen, wenn auch riskanten Punkt übersah. In seiner Jugend wäre ihm das nicht passiert, aber mit dem Alter kam dann doch zu sehr Überheblichkeit dazu, da er sich seinen Gesprächspartnern zu sehr überlegen fühlte. Also beging er aus seiner eigenen Arroganz heraus einen vielleicht tödlichen Fehler.

"Ach, Therese, dein Mut verdient eine Belohnung. Du wolltest doch dunkle Orte voller Kunst und Kultur kennen lernen! Dann gebe ich dir die Schlüssel zur Rue de L'Albatros 17. Wenn Du nur die Kunst sehen willst, grübele nicht über den Hof und das Schlafzimmer nach und wenn Du doch nicht so mutig bist . . ." Er wirft ihr die Schlüssel zu der Wohnung zu, die er die vergangen drei Jahrzehnte bewohnte. " . . . dann geh besser nicht in den Keller."

In gewisser Hinsicht hatte das Monster Marat auch doch den Drang, mit seinen Taten anzugeben. Menschen wollten, auch wenn sie Monster waren, einen Eindruck hinterlassen. Die Gemälde im Konvent reichten ihm wohl nicht, es musste wohl seine Diebeskunst, seine Handwerkskunst und sein Grauen im Keller sein. Und ein wenig fragte sich das Monster wohl auch, ob es sie so . . . brechen konnte. Für solche Momente gab es Monster doch. Er lächelte dabei ganz abscheulich voller Vorfreude.
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Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Ferdinand Marat« (6. April 2020, 00:35)


Thierry Barras

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Montag, 6. April 2020, 00:07

Thierrys Kopf brummte. Er musste aus dieser Mensa raus und weg von diesem... Irren.
Ja, er hatte ihm sein Leben zu verdanken, da er ihn nach dem Urteil außer Landes gebracht hatte. Aber er hatte seinen Preis gehabt - und dieser Preis war, wie er jetzt wusste, deutlich höher als das Geld, das er ihm gab.
Verdammt, warum konnte er sich auch nicht an diesen Kunstgegenstand erinnern, von dem Hortense ihm immer wieder erzählt hatte? Sie hatte ihn immer in ungünstigen Momenten erwischt - und die Momente waren gerade in den letzten Monaten ihrer Ehe immer ungünstig, wenn man ehrlich war. Und Kunst interessierte ihn nicht sonderlich, sofern er damit kein Geld machen konnte. Darum hatte er den Künstler bei der Vernissage auch so verachtet, der... auch Marat war.
Dieser Mann war ein Meister der Verkleidung, das musste er anerkennen. Und er hatte die Rolle des du Lac offensichtlich jahrelang mehr als überzeugend gespielt. Doch das würde nun ein Ende haben. Sein Abgang war mit Sicherheit nicht unbemerkt geblieben - und ihm war es egal.

Es ist eine grausame Ironie, dass genau der Mann ihn außer Landes brachte, der ihn zuvor bestahl und den Mord an seiner Frau beobachtete. Und dann soll der Mörder ein kasemuffischer Attentäter gewesen sein, den irgendein Alter vom Berg beauftragt hatte?

All das ergab keinen Sinn. Oder war "Alter vom Berg" nicht bloß ein Titel, sondern ein Hinweis? Der Name "von Berg" war ihm sehr wohl bekannt - ein weiterer arroganter Dreibürgener Schnösel, der sich für etwas Besseres hielt und dem letzten Endes nur daran gelegen war, seine Macht über das Militär zu erhalten. Aber nein, Hortense hatte nie etwas mit Dreibürgen zu tun gehabt (das einzige, worin sie sich bis zum Ende wirklich einig waren). Da spielte ihm sein Verstand bestimmt gerade einen Streich.

Zum Glück stand Therese auf. Würden Blicke töten können, wäre Marat jetzt in allen Ecken der Mensa verteilt. Dieses Bild in seinem Kopf rang ihm ein leicht verrückt anmutendes Lächeln ab, als er aufstand.

"Non, ma chère. Man muss ja auch sehr am Geisteszustand seines Gegenübers zweifeln, wenn es sich wie ein Barbar aus Dreibürgen die Finger mit einem Messer manikürt. Da wäre jede weitere Frage nur verschenkte Lebenszeit - und wie Monsieur Marat selbst ankündigte, hat er davon vielleicht nur noch einen Monat."

Er war sich nach diesem Gespräch sicher, dass er die Prinzessin damals im Hotel vor Marat gerettet hatte. Diesem Mann war alles zuzutrauen (auch wenn Barras nicht den Hauch einer Ahnung davon hatte, was in des Künstlers Wohnung für ein dunkles Geheimnis lauerte). Stolz auf seinen Instinkt ergriff er Thereses Hand und drückte ihr einen Handkuss auf.

"Enchanté!" Es kostete ihn Kraft, doch er blendete Marat für einen kurzen Moment aus und schaute schelmisch zu Therese, ehe er sich an die Situation erinnerte, in der er sich gerade befand.

"Auf Wiedersehen, Monsieur Marat. Oder... lieber doch nicht."

Er ging rückwärts in Richtung Tür, den Blick weiter auf Marat gerichtet. Der Senator wollte nicht riskieren, dass ihn oder die Abgeordnete doch noch das - nunmehr mit Fingernagelschmodder verschmutzte - Messer des Irren treffen würde. Doch das Einzige, was in ihre Richtung flog, war ein Schlüssel... Rue de l'Albatros? Panisch schaute er Therese an und schüttelte den Kopf. Er wollte weg, nicht in die Wohnung eines Irren...
Senator Thierry Barras
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35

Montag, 6. April 2020, 11:13

Die Verwunderung in Thereses Augen waren ebenso wenig zu leugnen wie die Sprachlosigkeit, angesichts Marats letzter Worte und dessen teuflisches Grinsen, welches sein Gesicht dabei regelrecht entstellte. Der zugeworfene Schlüsselbund in ihrer Hand wog indes ungleich schwerer als das Gesagte und die Frage, nach dem was sie dort vorfinden würde, weckte längst vergessen geglaubte Ängste. Fast kam es Therese so vor als hätte Marat sie ihr ganzes Leben lang beobachtet, nur um ihr genau das jetzt zu sagen.

< Ach Therese, dein Mut verdient eine Belohnung … und wenn du doch nicht so mutig bist, dann geh besser nicht in den Keller> Zweifellos gebührte Marat der Triumph das letzte Wort zu haben, denn Therese brachte im Augenblick nichts mehr über ihre bebenden Lippen. Unzählige Gedanken und Fragen, aber auch Bilder und furchtbare Vorstellungen von dem was sie dort finden könnten, wirbelten gerade durch ihren Kopf und so folgte sie Thierry eher gedankenverloren an der Hand, ohne bewusst auf ihn zu achten.

Fort nur fort von hier! Schnell weg von diesem Verbrecher, der sie im Grunde benutzt hatte … oder wie sollte sie sonst diese Inszenierung mit dem Maler und dem Bild deuten? War das alles nur Mittel zum Zweck, um ihr schlussendlich diesen Schlüssel zu überlassen?

"Wir …wir werden … dort … die Arbeit finden, sein Werk… nicht wahr, … aber sie, es … es ist doch noch nicht vollendet, oder … "

Möglicherweise hörte Marat diese Worte noch (Thierry ganz bestimmt), aber sie stellten keine Frage mehr dar sondern waren nur laut ausgesprochene Gedankenfetzen, die beim Hinausgehen über ihre Lippen kamen ...
Therese Cabarrus
Comtesse de Belleville et Duchesse de Bari
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Thierry Barras

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36

Montag, 6. April 2020, 11:53

Thierrys Haut wurde bleicher. Zog Therese in Erwägung, zu dieser Wohnung zu gehen? Jetzt? Direkt? Er schaute sie aus den Augenwinkeln an.

"Du willst nicht ernsthaft da jetzt hin... oder? Nicht alleine? Vielleicht... vielleicht sollten wir jemanden informieren und dazu holen... die Polizei oder... oder direkt den Obersten Richter... Therese, mir ist nicht wohl dabei..."

Doch die Entscheidung, in die rue de l'Albatros zu gehen, stand offenbar fest. Auch wenn er es nicht zugeben würde - Thierry war neugierig. Es war dieser Nervenkitzel, der ihn antrieb, der Reiz des Verborgenen und auch ein bisschen die Gefahr. Doch sank seine Risikofreude seit seiner Ernennung zum Senator erheblich. Er hatte plötzlich wieder etwas zu verlieren.

"Die rue de l'Albatros ist von hier aus fußläufig erreichbar, glaube ich..."

Er schluckte einen dicken Kloß herunter. Doch vielleicht würden sie durch einen Blick in den Keller das Wesen Marats besser verstehen? Vielleicht hatte er noch mehr Hinweise für ihn, mehr Beweismittel?
Senator Thierry Barras
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37

Montag, 6. April 2020, 13:29

Verwundert und ungläubig starrte Therese in Thierrys Augen, als hätte er gerade etwas völlig abwegiges gesagt:
"Nein, natürlich nicht … nicht sofort und auch nicht allein. Oder doch. Ich weiß nicht was richtig oder falsch ist. Aber wenn uns Marat nicht völlig angelogen hat, dann hat nicht nur Duroc sondern vielleicht auch dieser Richter etwas damit zu tun. Oder gar der Orden? Dann könnten wir nicht einmal der Polizei vertrauen. Was ist, wenn jemand dort Spuren oder Beweise verschwinden lässt, die uns nützen könnten. Vielleicht hat sogar Marat noch einen Schlüssel und lässt selsbt irgend etwas verschwinden … Ich denke, … ich fürchte, wir müssen da sofort hin … und allein."

Begeisterung klang anders, aber im Augenblick traute Therese niemandem - außer Thierry. Nicht einmal Anielle würde sie um Hilfe bitten, zumindest nicht sofort. Nicht, ehe sie selbst einen Blick in diese Räume geworfen hätten:

"Du und ich … wir werden das gemeinsam durchstehen"

Therese versuchte zuversichtlich und aufmunternd zu wirken, doch die Anspannung war deutlich auf ihrem Gesicht zu erkennen. < Ob dieser Marat uns verfolgen wird?>

Leicht gehetzt warf Therese einen Blick über die Schulter zurück, während sie Thierry weiter folgte und die Ungewissheit über den Verbleib ihres Gesprächspartners machte das geplante Vorhaben nicht unbedingt einfacher.
Therese Cabarrus
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38

Montag, 6. April 2020, 13:46

<Sie ist wahnsinnig, das ist irre, das...>
"Das machen wir. Du hast Recht."
<Hab ich das gerade laut gesagt?>

Der innere Konflikt war spürbar. Er wusste nicht, was die beiden da erwarten würde - aber wie Duroc und der Richter da mit drin steckten, war noch sehr undurchsichtig. Plötzlich hielt er inne.

"Warte... Wir müssen vorher noch das Tuch holen... Irgendetwas stimmt da nicht..."

Er hatte sich die vakuumierte Fingerkuppe - wider Willens und angeekelt - angesehen. Auf ihn wirkte sie nicht kasemuffisch. Und sie war viel zu klein, um von einem Daumen zu stammen. Aber er war sich nicht mehr zu hundert Prozent sicher, schließlich hatte er zuvor einige Gläser Wein getrunken und war wie besessen davon, Duroc als Mörder Hortenses zu enttarnen.

"Scheiße, ich glaube der Mistkerl hat uns über den Tisch gezogen... Ich muss das überprüfen. Jetzt. Das Tuch ist im Tresor in meinem Bureau. Haben wir noch so viel Zeit?"

Therese konnte nichts von seinen Überlegungen ahnen. Er hatte ihr zwar in der Nacht, in der er sich das Tuch genauer angesehen hatte, Nachrichten geschrieben - aber die hatten nichts mit den untersuchten Gegenständen zu tun. Anhand seiner grauenhaften Rechtschreibung konnte sie auch erkennen, wie betrunken er war - wahrscheinlich nahm sie es ihm deshalb nicht krumm, dass die stellenweise sehr schlüpfrigen Nachrichten an anderen Stellen wiederum sehr plump waren.
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39

Montag, 6. April 2020, 22:27

Zitat

"Das machen wir. Du hast Recht."

Warum nur hatte Thierry kein besseres Gegenargument parat? Eines, weshalb sie das nicht tun müssten, was keinem von beiden so recht gefallen wollte.

"Na gut, dann los …"

Seufzte Therese ergeben und sie wirkte ein wenig hilflos und unentschlossen. Sollten sie zunächst den ganzen Weg zurück zum Sitzungssaal nehmen und Gefahr laufen, von den übrigen Abgeordneten aufgehalten zu werden, Oder gab es hier irgendwo eine Abzweigung, eine Abkürzung, auf der sie noch schneller ins Verderben - respektive zur Rue de L'Albatros 17 - gelangen könnten. Ob die Zeit tatsächlich drängte war letztendlich auch egal, Hauptsache sie würden das Ganze möglichst schnell (und hoffentlich unbeschadet) hinter sich bringen.

Gerade als Therese ihr Tempo beschleunigen wollte, bremste sie Thierry mit plötzlichen Zweifeln und Andeutungen, mit denen sie allerdings im Augenblick rein gar nichts anfangen konnte:

"Das Tuch? Was ist denn plötzlich mit dem Tuch? Ist es am Ende doch nicht von Hortense? Von wem dann? Und warum soll Marat uns über den Tisch gezogen haben? … Du meine Güte, Thierry!!! … Das fällt Dir ja früh ein … "

Etwas genervt schnaubend sah Therese ihrem Freund eindringlich in die Augen. Hatte Thierry vorhin nicht genügend Gelegenheiten um Marat zur Rede zu stellen und ihn auf das Tuch anzusprechen. Im übrigen hatte Therese dieses Gefühl schon die ganze Zeit über, dass Marat sie belogen und betrogen haben könnte und deshalb wollte sie endlich wissen, was es mit diesem mysteriösem Ort auf sich hatte:

"Was versprichst Du Dir davon? …. Jetzt? … Aber wenn Du unbedingt nachsehen willst, dann geh und beeil Dich. Ich werde schon mal vorgehen und die Adresse auskundschaften und werde in der Nähe auf dich warten. Nicht, dass uns am Ende noch jemand zuvor kommt."

Therese wirkte wild entschlossen zur Not auch allein vor zu gehen. Zumindest wollte sie zeitig vor Ort sein und nachsehen, ob und wer dort eventuell aufkreuzen würde.
Therese Cabarrus
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Thierry Barras

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40

Montag, 6. April 2020, 22:53

Es war keine gute Idee. Es war eine grauenhafte Idee. Es könnte ihr Verderben sein. Aber - zumindest sah er das so - sie hatten keine Wahl. Therese hatte ihn überzeugt, jetzt könnte jede Minute zählen. Wäre da nicht...

"Nein, es ist Hortenses Tuch. Aber etwas stimmt mit der Fingerkuppe nicht. Ich erzähl es dir später."

Therese sah genervt aus - kein Wunder, er hatte ihr nicht alles gesagt, was er gedacht hatte. Er wusste nicht mehr wirklich, was er gesagt und was nur gedacht hatte. In seinem Kopf brummte es immer noch. Thereses Ungeduld war da leider keine große Hilfe.

"Therese, nein - geh nicht alleine vor. Bitte. Es dauert nur wenige Minuten. Die haben wir jetzt auch noch. Außer uns weiß und Marat weiß niemand von der Anschrift und den Orten, die man nicht aufsuchen sollte - und du hast seinen Schlüssel. Wer sollte uns da zuvorkommen? Bitte..."

Er war noch weiter zerrissen und verstand nicht, woher Thereses Eile auf einmal kam. Was befürchtete sie? Marat würde bestimmt nicht Duroc oder Depont anrufen, das hielt er für unwahrscheinlich. Dennoch wussten sie beide nicht, was da auf sie lauern würde, welche Gräuel, welcher Horror - und Therese wollte ernsthaft alleine vorgehen? War sie jetzt auch geisteskrank geworden?
Senator Thierry Barras
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